Konzertblasorchester trifft Jazzposaune
Essen, NRW: Die Essener Philharmonie war am 30. September ein einzigartiger Treffpunkt für sinfonische Bläsermusik und Jazzposaune. Die Ausführenden: Das Landesblasorchester NRW mit seinem Dirigenten Renold Quade und der Jazzposaunist Jiggs Whigham.
Das LBO NRW konzentrierte sich aber nicht nur auf die jazzige Zusammenarbeit mit Jiggs Whigham , sondern setzte spannende und eigenständige bläsersinfonische Schwerpunkte mit Werken von Komponisten aus NRW. Moderator Jochen Robertz versprach dem Publikum viel Spannendes, Geheimnisvolles, Verzweifeltes, Hoffendes, Träumerisches und Tänzerisches. Renold Quade und das LBO NRW sowie Jiggs Whigham als Solist setzten dies eindrucksvoll um.
Aufwühlend war die Vertonung von Johann Wolfgang von Goethes Ballade vom „Erlkönig“. „…in seinen Armen das Kind war tot“ ist der Titel des Werkes, das der Essener Komponist Constantin Hesselmann (*1978) geschrieben hat. Goethes Originaltext schickt er seiner Komposition voraus, eindringlich rezitiert von Jochen Robertz. Wie das literarische Vorbild die sprachliche Bandbreite nutzt, so nutzt Constantin Hesselmann die Ausdrucksmöglichkeiten des großen Blasorchesters: Seine Vertonung beginnt mit einem entspannt bis subtil-bedrohlich sich entwickelnden Pianissimo und steigert sich bis zu einem aufwühlenden dramatischen Fortissimo. Dann lässt er sein Werk mit einem sich ergebenden Pianissimo enden und bleibt damit dramaturgisch ganz nah an der Vorlage.
Den literarischen Bezug pflegte das Orchester auch mit Master Humphrey´s Clock, komponiert von dem Briten Malcolm Binney, der verschiedene Romanfiguren von Charles Dickens auferstehen ließ. Nicht nur für jene, die sich als Kinder oder auch Erwachsene durch den Londoner Nebel und die Geschichten von Oliver Twist gelesen haben, war das spannendste Unterhaltung.
Mit Frank Zabel stand ein weiterer Komponist aus NRW auf dem Programm. Seine „Hommage à Prokofieff“ zitiert und variiert das Hauptthema aus der Oper „Die drei Orangen“. Er verknüpft sinfonische mit kammermusikalischen Variationen und fordert dabei jedes Register des Orchester auf vielfältige Weise. Nicht zuletzt deshalb war das Werk Pflichtstück beim Deutschen Orchesterwettbewerb in der Kategorie „Konzertante Blasmusik“.
Diese zentralen Werke des ersten Teils des frühen Konzertabends wurden eingerahmt von Kompositionen des Briten Philip Sparke. Als Ruhepol in dem sorgfältig abgestimmten Programm hatte Renold Quade Percy Graingers Orchesterfassung „Irish Tune vom County Derry“, vielleicht eher bekannt als Londonderry Air, gesetzt.
Zu Jiggs Whigham sind nicht viele Worte zu verlieren. Als Posaunist, Dozent und Big Band Leader beeinflusst er seit Jahrzenten in außerordentlicher Weise die Jazzszene in Deutschland und Europa. Er spielte noch in der Big Band von Stan Kenton in den USA. In den 1960er Jahren zog es ihn nach Europa, 1979 wurde er Professor und Leiter der Jazz-Abteilung der Hochschule für Musik in Köln, der ersten Einrichtung dieser Art in Deutschland. Er arbeitete und arbeitet mit praktisch allen großen Big Bands zusammen, er leitet heute noch die BBC Big Band und seit 2008 ist er einer der Leiter des “BUJAZZO” (Bundesjugendjazzorchester). Nun setzte er seine Zusammenarbeit mit dem LBO NRW in der Essener Philharmonie fort. Gute 50 Jahre Bühnenpräsenz als Orchesterleiter und Solist verfehlten auch in Essen nicht ihre Wirkung. Zwischendurch charmant plaudernd, oder das Publikum rhythmisch animierend, verzauberte er mit seinem Swing, mal zupackend kreativ und dann in seinen Balladen wieder lyrisch und verträumt, die Zuhörer. Ein Höhepunkt war sicher das gemeinsame improvisierte Solo mit Paul Muhle, Saxophonist im LBO NRW.
Renold Quade hatte das LBO NRW als sinfonische Big Band exzellent vorbereitet. Nicht nur als Begleitband von Jiggs Whigham, sondern auch in den Solonummern des Orchesters wurde dies deutlich. So begeisterte das Orchester mit einem „Sinfonic Jazz Medley“ mit Titeln von Duke Ellington, welches unter anderem mit einem herausragenden Solo für Fagott überraschte, sowie mit einem weiteren Medley von Count Basie.
Das Konzert des LBO NRW in der Philharmonie Essen, einem der bedeutendsten Konzerthäuser des Landes, hatte natürlich einen besonderen Stellenwert für den Volksmusikerbund NRW, den Trägerverein dieses Auswahlorchesters. Das dokumentierte unter anderem der Besuch der Vertreter des Landesverbands: Die beiden Vize-Präsidenten des Volksmusikerbundes NRW, Paul Schulte und Bernd Ingenbleek sowie VMB-Geschäftsführer Bernd Nawrath waren eigens nach Essen gereist. Das LBO NRW repräsentiert den Verband nicht nur in den Verbandstagen, sondern auch in den Konzertsälen des Landes.
Ein besonderer Dank gilt der Orchestermanagerin Danica Dreisbach, deren organisatorische Ausdauer und Geschick der Musik erst diesen besonderen Rahmen ermöglichte und die für die Probenphasen des Orchesters ein Sorglos-Paket für die Musiker schaffte.